Es wird eine heissblütige Atmosphäre am Mittwochabend für die Young Boys in Belgrad. «Dieses Stadion ist ein Hexenkessel», sagt Darian Males. Er spricht voller Ehrfurcht über das Stadion Rajko Mitić, das von allen nur Marakana genannt wird. 40'000 Anhängerinnen und Anhänger finden im Stadion von Roter Stern Platz, sie sorgen jeweils für eine elektrisierende Atmosphäre.
YB-Neuzugang Males weiss, wovon er spricht. Seine Eltern stammen aus Serbien, weshalb die Gefühlslage vor dieser zweiten Champions-League-Partie für ihn aussergewöhnlich ist. «Natürlich ist eine gewisse Verbundenheit vorhanden. Für mich wird die Partie sicher ein spezielles Spiel.» Seine ganze Familie wird in Belgrad im Stadion sein, einige seiner Verwandten sehen ihn zum ersten Mal spielen. «Ich musste viele Tickets organisieren.»
Auch sportlich soll die Partie für den 22-jährigen Innerschweizer, der beim FC Luzern ausgebildet wurde und zuletzt beim FC Basel spielte, zu einem Karrierehighlight werden. Ausgerechnet in der Hauptstadt des Geburtslandes seiner Eltern könnte Males zum ersten Mal von Beginn an auf dem Platz stehen, wenn die Hymne der Königsklasse erklingt. Im ersten Spiel gegen Leipzig (1:3) wurde der Offensivallrounder lediglich kurz vor Schluss eingewechselt.
Zuletzt aber zeigte die Formkurve von Males nach oben, auch wenn seine Zahlen noch weit von jenen in Basel entfernt sind. In der letzten Saison war der Stadtluzerner mit 28 Torbeteiligungen in 47 Spielen FCB-Topskorer. Seit seinem Wechsel in die Hauptstadt gelang ihm in zehn Partien jedoch noch kein einziges Tor, nur eines hat er vorgelegt.
Dennoch fühlt sich Males immer wohler in Bern, stand in der Vorwoche in allen drei Ligapartien in der Startelf. «Diese drei Spiele haben mir gutgetan, ich fühle mich sehr fit», erzählt er beim Onlineportal «Nau». Nun will die ehemalige Basel-Leihgabe, die für rund zwei Millionen Franken fix von Inter Mailand in die Schweizer Hauptstadt wechselte, in Bern den nächsten Schritt machen.
Die Partie der Berner in Belgrad wird derweil nicht nur speziell für Males und Filip Ugrinic, der ebenfalls einen serbischen Pass besitzt, sondern auch zu einem wegweisenden Duell bezüglich eines wichtigen Saisonziels. Roter Stern und die Young Boys dürften sich um den dritten Platz in der Gruppe G duellieren, der zur Teilnahme an der Europa League berechtigt.
Es geht im heissblütigen Belgrad also um nichts weniger als das Überwintern in Europa. Die beiden Meister ihrer Länder haben zum Start der Königsklasse gegen die favorisierten Leipzig und Manchester City jeweils mit 1:3 verloren. «Wir wollen europäisch überwintern, genau wie Roter Stern», sagt YB-Trainer Raphael Wicky, der von einem Finalspiel dennoch nichts wissen möchte. «Es ist erst das zweite von sechs Spielen. Es ist zu früh, von einer Entscheidung zu sprechen.»
Dennoch geht es für den Schweizer Meister darum, sich in diesem Duell eine gute Ausgangslage herauszuspielen. Dabei stellt sich die Frage, wie offensiv Wicky YB diesmal auflaufen lässt. Im ersten Champions-League-Spiel gegen Leipzig schickte er sein Team so defensiv auf dem Platz, wie noch nie seit er in Bern an der Seitenlinie steht. Er beorderte eine Fünferabwehr und davor zwei Sechser auf den Platz, das Team zog sich weit zurück. Diesmal könnte YB gegen den Gegner auf Augenhöhe wieder etwas aktiver agieren. Wicky verrät vor der Partie in Belgrad nichts, sagt aber: «Wir wollen mutig spielen – auch in der Champions League.»
Vor grossem Selbstvertrauen dürfte der Schweizer Meister derzeit dennoch kaum strotzen, zu bescheiden sind die Auftritte in der heimischen Liga. Gegen St. Gallen gab es eine Niederlage und am letzten Samstag enttäuschte YB auch bei GC. Nur dank eines Kunststücks von Cedric Itten gelang immerhin ein 1:0-Erfolg. Seine Direktabnahme aus der Luft mit der Hacke sorgte für das einzige Highlight einer schwachen Ligapartie. Itten findet, in Belgrad gehe es insbesondere darum, ein gutes Resultat zu holen: «Klar ist die Champions League der grösste Wettbewerb auf Klubebene. Aber natürlich wollen wir auch positive Resultate erzielen.»
Die Partie in Belgrad bietet sich nun dafür ideal an. An mangelnder Unterstützung für Darian Males dürfte es dabei nicht liegen.